Haftpflicht, Venedig und eine erfundene Geschichte
Haftpflicht, Venedig und eine erfundene Geschichte. Das alles bietet unser heutiger Newsletter. Kennen Sie die Rialto-Brücke am Canale Grande in Venedig? Sie ist die größte und wohl auch schönste Brücke der Lagunenstadt. Nachts erstrahlt sie erleuchtet und für Liebende in einer Gondel ist es das Schönste, sie Arm in Arm zu unterfahren. Unsere Geschichte ist nicht romantisch, wohl eher tragisch. Ich darf Sie aber beruhigen, sie ist rein erfunden.
Das Touristenfoto
Ein deutscher Tourist stand auf der berühmten Brücke, um vom höchsten Punkt aus ein Foto von einer nahenden venezianischen Gondel zu schießen. In der Gondel saßen sechs japanische Touristen, Mitglieder eines Koi-Karpfen-Zuchtvereins. Auch sie hatten alle einen Fotoapparat. Man hatte sich gegenseitig entdeckt und wollte den Moment fotografisch festhalten. Der deutsche Tourist machte sein Foto, hielt dann die Kamera allein mit der linken Hand und winkte den Japanern in der Gondel zu. Nun unterfuhr die Gondel die Brücke und dabei passierte es: die Kamera fiel dem deutschen Touristen aus der Hand, traf den Gondoliere, der ins Wasser fiel. Die hektischen Japaner, allesamt Nichtschwimmer, wollten ihren Bootführer retten, und fielen ihrerseits ebenfalls in den Kanal. Ein japanischer Tourist der Reisegruppe kam dabei sogar ums Leben – alles verursacht durch eine fallende Fotokamera.
Zwar erfunden, aber nicht unrealistisch
Solche Ereignisse gibt es, leider. Ich habe diese Geschichte erfunden, um daran zu erklären, wie eine Haftpflichtversicherung „funktioniert“. Die Ursache für den gesamte Schaden war die fallende Kamera von der Brücke. Der deutsche Tourist wurde im der Situation, in der er die Kamera aus der Hand verlor, durch keine dritte Person beeinfluss. Sein ureigenes Verhalten wurde zum Auslöser des Desasters. Also musste seine private Haftpflichtversicherung für den gesamten Schaden aufkommen. Und der Schaden war beträchtlich. Die Witwe des ertrunkenen Japaners erhielt eine Entschädigung und eine lebenslange Rente. Das ganze Manöver hatte Schäden an der Gondel verursacht. Die Versicherung übernahm die Kosten der Reparatur wie auch den Umsatzausfall für deren Dauer. Die japanische Reisegesellschaft bekam eine Pauschalentschädigung für das erlittene Ereignis, für zerstörte Kleidung und die zu Schaden gekommenen Kameras. Die Versicherung zahlte natürlich auch die Bergungskosten der Leiche und deren Überführung nach Japan.
Einige Zeit später
Zeit verging, bis ins Leben des deutschen Touristen wieder Normalität eingetreten war. Verständlich. Zunächst gab es ja viel Korrespondenz mit der Haftpflichtversicherung und das Gefühl, mittelbar am Tod des japanischen Touristen mitverantwortlich gewesen zu sein. Es dauerte also lange, bis unser Fotograf feststellte, dass er ja nicht mehr im Besitz seiner Kamera war. Sie läge vermutlich auf dem Grund des Canale Grande, wo auch sonst. Hatte er vielleicht sogar Anspruch auf eine neue Kamera?
Nein! Die Kamera, auslösend für den Schaden und im Besitz des Versicherten, wurde nicht ersetzt. Der Verlust der Kamera war quasi ein „Eigenschaden“, also ein Schaden des Versicherten an und durch sich selbst.
Nicht nur im Privaten
Auch die Betriebs-Haftpflichtversicherung eines Unternehmens arbeitet nach demselben Prinzip. Baut eine Autowerkstatt fehlerhaft Bremsen in ein Fahrzeug ein und es kommt zu einem Unfall, kommt die Betriebshaftpflicht der Werkstatt für den durch den Fehler entstandenen sogenannten „Folgeschaden“ auf. Die Rechnung für die falsch eingebauten Bremsen muss die Werkstatt selbst tragen. Es gilt der Grundsatz „Pfusch ist nicht versicherbar!“ Dessen Folgen sind es schon.