Kaufkraft der Rente. Eine Analyse des Prognos-Instituts sagt mehr über finanzielle Situation deutscher Rentner als alle bisherigen Statistiken.
Kaufkraft der Rente. Im Auftrag des Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft hat das Prognos-Institut eine Studie zur regionalen Kaufkraft deutscher Renten erstellt. Das Ergebnis ist überaus verblüffend und räumt mit so manchen Vorurteilen auf.
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Wir nehmen mal einen Betrag, mit dem sich gut rechnen lässt, sagen wir mal 1.000€ Und dann stellen wir uns die Frage, welchen Wert an Kaufkraft diese 1.000€ für einen deutschen Rentner in unterschiedlichen Regionen der Bundesrepublik hat. Das Prognos-Institut hat im Auftrag des GDV eine Studie auf Basis dieser Frage durchgeführt und dafür an 400 unterschiedlichen Standorten in Deutschland Kaufkraftvergleiche angestellt. Berücksichtigt wurde jeweils das Preisniveau am Wohnort nach u.a. folgenden Kriterien: Wohnkosten, Preisniveau Warenkorb und Kosten in den Bereichen Güter und Dienstleistungen. Das Ergebnis war in seiner Aussagekraft unerwartet heftig: die Kaufkraft der Rente kann regio9nal um bis zu 70% variieren. Wie auskömmlich eine Rente ist, hängt unverhältnismäßig stark davon ab, wo man wohnt.
Renten im Osten besitzen die höchste Kaufkraft
Die Studie zeigt ein starkes Ost-West-Gefälle bei der Rentenkaufkraft. Das Phänomen unterliegt zwar auch im Osten regionalen Schwankungen, kann aber als flächendeckend betrachtet werden. Ausnahmen sind die Metropol-Regionen wie Dresden und Leipzig, die mit Städten wie München, Hamburg oder Düsseldorf vergleichbar sind. An der Spitze der Kaufkraftstärke liegt Gera (1.000€ = 1.437€ Kaufkraft), gefolgt von Chemnitz (1.428€), Cottbus 1.425€) und Görlitz (1.394€). Während die Kaufkraftverteilung in den neuen Bundesländern in der Gesamtfläche ziemlich gleich verteilt ist, zeigt das Bild in den westlichen Bundesländern eine wesentlich geringere Kaufkraft, die zusätzlich von Norden nach Süden abnimmt. Städte wie Freiburg, Regenburg, Garmisch-Patenkirchen und das Berchtesgadener Land liegen da zwischen 850€ und 860€ Kaufkraft (bezogen auf 1.000€). Übrigen muss festgestellt werden, dass natürlich im ländlichen Raum die Kaufkraft generell höher als im städtischen Raum liegt.
Einordnung
Es ist richtig, dass erst zum Jahr 2024 die Gleichbewertung der Entgeldpunkte im Rentensystem erfolgt ist. Aber der Unterschied zwischen Ost- zu West-Renten war wesentlich geringer, als der Kaufkraftvorteil des Ostens gegenüber dem Westen es ausweist. Dennoch hält sich bis heute beharrlich die Aussage, das Rentenniveau im Osten sei generell geringer gegenüber dem Westen, da man ja in der ehemaligen DDR wesentlich weniger verdiente als im Westen. Das ist aber leider falsch. Im Einigungsvertrag wurde die angleichende Berechnung der DDR-Einkommenshöhe für die Rentenberechnung festgelegt. Sowohl im Westen wie im Osten gab es einen jährlichen Durchschnittslohn. Dessen absolute Höhe oder Kaufkraft spielte dabei gar keine Rolle, wurde also gar nicht verglichen. Entscheidend war in beiden Regionen nur eines: wer den „Durchschnittslohn“ verdiente, bekam dafür einen ganzen Entgeldpunkt (Renteneinheit), entsprechend der möglichen Abweichung prozentual mehr oder weniger.
Die ökonomische Differenz zwischen Ost und West spielte bei der Anrechnung der Rentenansprüche also gar keine Rolle. Man könnte sogar daraus folgern, dass der Westrentner für seine absoluten „Mehreinnahmen“ keine höhere Rentenleistung erhielt. Vielleicht lag darin sogar eine gewisse Ungerechtigkeit.
Hinzu kommt noch ein Aspekt, der gemeinhin übersehen wird. Während Frauen im Westen in der Regel minimale Rentenansprüche erworben haben, da sie geringer berufstätig waren gegenüber den Frauen im Osten, erhalten Frauen, die ehemals DDR-Bürgerinnen waren meist höhere Renten. Historisch absolut nachvollziehbar. Das Ergebnis dieses Relikts aus der Vergangenheit beider Staaten ist, dass ein Rentnerehepaar in den neuen Bundesländern ein höheres Einkommen aus Renten erzielen als in den alten Bundesländern. Berücksichtigt man dazu noch den Kaufkraftvorteil, zeigt sich die soziale Realität der Rentner in den neuen Bundesländern ziemlich rosig. Hätten Sie es gewußt?
Kritik an der Studie
Wollte man eine umfassende Studie zur sozialen Realität der Rentnergenerationen in Ost und West darstellen, müssten zusätzlich Faktoren erfasst werden, die die Prognos-Studie nicht berücksichtigt. Häufig erhalten Rentner in den alten Bundesländern zusätzlich zu ihren gesetzlichen Rentenzahlungen betriebliche Renten ausgezahlt. Dies ist aber kein flächendeckendes Phänomen, trifft nur für eine bestimmte Zahl von Unternehmen zu und ist eher als individueller Aspekt zu bewerten. Hinzu kommt, dass die auf diesem Wege erworbenen Ansprüche meist anteilig vom Arbeitgeber und den Arbeitnehmern finanziert, also zur Hälfte eine reine Spar- oder Verzichtsleistung darstellt. Belohnung für Konsumverzicht ist jedoch angemessen und kein Geschenk. Unterm Strich herrscht heute in der Bundesrepublik weitgehend „Rentengerechtigkeit“ – und das ist auch gut so. Gut wäre aber auch, endlich mit der Pflege von Vorurteilen über die eklatante Schlechterstellung von Rentnern in den neuen Bundesländern auf der Basis unzutreffender Fakten aufzuhören. Die Wahrheit sieht meistens anders aus, als es uns lieb ist.