Kliniksterben durch Nachhaltigkeitsziele – ein Brandbrief der Evangelischen Bank an den Gesundheitsminister
Kliniksterben durch Nachhaltigkeitsziele befürchtet die Evangelische Bank und hat deshalb einen Brandbrief an Gesundheitsminister Lauterbach geschrieben. Der Grund dafür sind die Auswirkungen des EU Green Deal, der die Finanzierung von Kliniken dramatisch erschwert. Für 2024 werden viele Klinikinsolvenzen erwartet. Das bedroht die Gesundheitsversorgung – leider auch „nachhaltig“. Wir zitieren wesentliche Teile des Briefs der Evangelischen Bank an den Gesundheitsminister.
Drohendes Rekord-Insolvenzjahr für Kliniken
„2024 droht ein Rekord-Insolvenzjahr zu werden – mehr als 70 Prozent der Kliniken erwarten für dieses Jahr eine weitere Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation. Fast kein Krankenhaus kann seine Aufwendungen mehr aus den Erträgen decken.
Verschärfung durch die im EU Green Deal vorgegebenen Nachhaltigkeitsziele
Ihre Aufmerksamkeit möchten wir heute auf einen Punkt lenken, der diese Situation noch einmal dramatisch verschärfen könnte: Auf die steigenden regulatorischen Anforderungen auf nationaler und europäischer Ebene zur Erreichung der unter anderem mit dem EU Green Deal vorgegebenen Nachhaltigkeitsziele.
Zum einen hat die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) im Sommer vergangenen Jahres die Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Banken (MaRisk) um sogenannte Nachhaltigkeitseinflussfaktoren erhöht. Dies führt dazu, dass Banken bei der Kreditvergabe auch an Krankenhäuser verstärkt auf die Einhaltung von ESG-Standards achten müssen.
Zum andern sehen neue Berichtspflichten nach der sogenannten Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vor, dass große Unternehmen, zu denen auch viele Krankenhäuser gehören, künftig verstärkt über ESG-Kriterien berichten müssen. Auch dies erhöht den Druck auf die Häuser, ihre Nachhaltigkeitsperformance zu verbessern.
Sorge: Verteuerung oder Ablehnung von Krediten für Krankenhäuser
Die zentrale Sorge, die sich aus diesen Anforderungen ergibt, ist die erhebliche Verteuerung oder sogar potenzielle Ablehnung von Krediten für Krankenhäuser, wenn sie die geforderten Nachhaltigkeitsfaktoren nicht erfüllen: Bei einem Krankenhaus, das mit seiner Immobilie das 1,5-Grad-Ziel verfehlt und sich aktuell nur auf einem 3- oder 4-Grad-Pfad befindet, muss perspektivisch mit deutlich sinkenden Beleihungswerten gerechnet werden – und hier stellt sich natürlich die Frage, woher dann die (Ersatz-) Sicherheiten für die kreditgewährende Bank kommen sollen!
…Wenn Krankenhäuser keine Kredite mehr erhalten oder nur noch zu sehr hohen Zinssätzen, könnten sie in erhebliche Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihrer Investitionen sowie sogar ihres laufenden Betriebs geraten. Im Ergebnis könnten die Häuser gezwungen sein, Dienstleistungen zu reduzieren oder gar zu schließen – mithin drohe ein Kliniksterben bislang ungekannten Ausmaßes!
Appell an die Politik
Nunmehr bitten wir auch Sie, Ihren Teil dazu beizutragen, dass der Krankenhaussektor von den Auswirkungen der steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen insbesondere finanziell nicht überfordert wird. Wir sehen durchaus, dass in der derzeitigen Situation vor allem der Bund Liquiditätshilfen zur Linderung der Finanznot vieler Häuser leisten muss. Gleichwohl appellieren wir auch an Sie, zusätzliche Mittel für investive Ausgaben bereitzustellen: Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft fehlen den Häusern hierzulande für dringende Investitionen schon jetzt jedes Jahr rund 3,7 Milliarden Euro.
Weiter zunehmender Investitionsbedarf
Und der Investitionsbedarf wird angesichts der Vorgaben aus dem EU Green Deal weiter zunehmen: Der Krankenhaussektor ist von einem überalterten Immobilienbestand gekennzeichnet, zudem haben ökologische Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Planung von Kliniken bislang zumeist nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Folge ist ein immenser Investitionsrückstand aufgrund notwendiger Bestandssanierungen, Umbauten oder Ersatzneubauten.
Gerechtere Lastenverteilung gefordert
Keine Frage: Die Ziele des EU Green Deal gelten auch für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft – und die Branche ist bereit, ihren Teil zur Erreichung der Klimaziele beizutragen. Gerade Krankenhäuser verfügen als Energie-Hochverbraucher über einen starken Hebel, um beispielsweise durch energetische Verbesserungen einen Beitrag zum Klimaschutz und zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens zu leisten! Unsere Sorge ist allerdings: Wenn die Lasten nicht gerechter verteilt werden und der Krankenhaussektor auf dem Transformationspfad nicht mehr öffentliche Unterstützung erfährt, wird der Green Deal zur Kostenfalle für die Branche – mit dramatischen Folgen für die Gesellschaft insgesamt…“ (mho)
Thomas Katzenmayer,Vorsitzender des Vorstands der Evangelischen Bank
Joachim Fröhlich,Mitglied des Vorstands der Evangelischen Bank
Olaf Kreuzberg, Mitglied des Vorstands der Evangelischen Bank